Historisches

Wie so vieles in unserer Kultur geht auch das Wissen über das Gedächtnis bis ins Altertum zurück.

Vor 2500 Jahren schon gab es eine griechische Göttin namens Mnemosyne, die alles aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wusste. Genaueres ist über den griechischen Lyriker Simonides von Ceos bekannt, der im sechsten und fünften Jahrhundert vor Christus lebte. Nachdem er eine Rede bei einem Bankett gehalten hatte, wurde Simonides nach draußen gerufen, da zwei Männer auf ihn warteten. Als Simondides das Haus verlassen hatte, stürzte das Gebäude in sich zusammen und begrub alle Anwesenden. Bei den beiden Männern soll es sich um die Zwillingsgötter Castor und Pollux gehandelt haben, die Simonides retteten, weil er sie in seiner Rede gepriesen hatte. Die Opfer unter den Trümmern waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Aber Simonides konnte den Familien bei der Identifzierung helfen, weil er sich genau erinnerte, wer wo gesessen hatte. Er hat das Prinzip des „Verortens“ angewandt.

Wenn intellektuelle Römer wie Cicero, Quintilian oder Seneca oft stundenlang in freier Rede sprachen, verwendeten sie die sogenannte „Loci-Methode“ (Loci = Orte). Dabei schritten sie im Geist einen Weg ab, an dessen markanten Orten sie Stichwörter abgelegt („verortet“) hatten. Diese historischen Gedächtnisleistungen basieren auf der unverändert gültigen Tatsache, dass der Mensch sich Informationen am besten anhand von Bildern merkt. Die moderne Wissenschaft erklärt das inzwischen genauer. Seit 1981, als der amerikanischer Neurobiologe Roger Wolcott Sperry (1913-1994) den Nobelpreis für seine Forschungen über Split-Brain-Patienten erhielt, ist auch mehr über die beiden Gehirnhälften bekannt. Die linke Hälfte ist mehr für die Logik (zum Beispiel die Reihenfolge von Orten) zuständig und die rechte Hälfte mehr für die Gestaltung (zum Beispiel die bildliche Verknüpfung). Bei sturem Auswendiglernen wird fast nur die linke Gehirnhälfte benutzt. Wenn den Zahlen aber phantasiereiche Bilder zugeordnet oder „zugeortet“ werden, hat auch die rechte Hälfte zu tun. Und dann tut sich Erstaunliches: Wenn beide Gehirnhälften benutzt werden, wird die Gedächtnisleistung nicht verdoppelt, sondern potenziert.